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Regierungsrat weist Beschwerde des Pfarrers von Kerns gegen Entscheid der Kirchgemeindeversammlung Kerns ab

1. Februar 2019
Der Regierungsrat hat im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens geprüft, ob die Abwahl des Pfarrers von Kerns durch die Kirchgemeindeversammlung und die Kündigung des Arbeitsvertrags rechtmässig waren. In seinem Entscheid kommt der Regierungsrat zum Schluss, dass die Abwahl des Pfarrers zwar wirkungslos war, jedoch entgegen der Auffassung des Pfarrers zwischen ihm und der Kirchgemeinde ein gültiger Arbeitsvertrag bestand. Der Arbeitsvertrag war öffentlich-rechtlicher Natur und konnte deshalb vom Pfarrer beim Regierungsrat angefochten werden. Das rechtliche Gehör wurde vor der Kündigung ausreichend gewährt und für die Kündigung lagen sachliche Gründe vor. Die Beschwerde wird deshalb vom Regierungsrat abgewiesen. Der Entscheid des Regierungsrats ist noch nicht rechtskräftig.

Am 21. Mai 2014 „wählte“ die Kirchgemeindeversammlung der römisch-katholischen Kirchgemeinde Kerns den Beschwerdeführer, der zuvor als Pfarradministrator tätig war, zum Pfarrer und schlug ihn dem Bischof von Chur zur Einsetzung vor. Im September 2014 setzte der Bischof von Chur den Beschwerdeführer in das Amt als Pfarrer ein. Im Sommer 2015 erkrankte der Beschwerdeführer und war ab diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig. Am 11. Mai 2016 „wählte“ die Kirchgemeindeversammlung Kerns den Beschwerdeführer einstimmig als Pfarrer ab und ermächtigte den Kirchgemeinderat Kerns, den Arbeitsvertrag per 30. November 2016 zu kündigen. Gegen den Abwahlbeschluss der Kirchgemeindeversammlung Kerns und die vom Kirchgemeinderat Kerns ausgesprochene Kündigung erhob der Pfarrer beim Regierungsrat Beschwerde.

Beschwerde tangiert das duale System von Kirche und Staat
Der vorliegende Beschwerdefall berührt das duale System von Staat und Kirche. Dieses System beschreibt das wechselseitige und ergänzende Zusammenwirken von Staat und Kirche bei der Erfüllung der kirchlichen Aufgaben. Eine Folge des dualen Systems ist es, dass die Anfechtung einer bischöflichen Amtsenthebung über den innerkirchlichen Instanzenzug erfolgen muss. Die Überprüfung einer Kündigung des Anstellungsvertrags ist hingegen durch die staatlichen Rechtsmittelinstanzen vorzunehmen. Letztere sind in ihrer Überprüfungsbefugnis beschränkt auf das staatliche Recht. Dabei sind die kirchlichen Zuständigkeiten und Belange zu respektieren und die Religionsfreiheit, auf die sich die Kirche berufen kann, ist zu wahren.

Kirchgemeinde kann Anstellungsvertrag kündigen, Pfarrer aber nicht abwählen
Basierend auf einem althergebrachten kirchlichen Recht, dem Patronatsrecht, schlägt die Kirchgemeinde Kerns dem Bischof von Chur eine Person als Pfarrer vor. Der Bischof von Chur setzt die Person in das Amt als Pfarrer ein. Nur der Bischof kann dem Pfarrer das Amt auch wieder entziehen, beispielsweise im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahrens. Die „Abwahl“ des Beschwerdeführers als Pfarrer durch die Kirchgemeindeversammlung Kerns war daher wirkungslos.

Die Pfarrpfrund von Kerns war bis anfangs des 20. Jh. die Grundlage für den Lebensunterhalt der Pfarrer. In den letzten Jahrzehnten wurde das Pfrundsystem in Kerns durch eine moderne Besoldungsform abgelöst. Die Geltung bisheriger Pfrundbriefe als verbindliche einseitige oder vertragliche Regelungen haben ebenso wie das Pfrundwesen als solches im vorliegenden Fall keine Relevanz mehr. Der Kernser Pfarrer verfügt heute über ein festes Einkommen, das durch einen Arbeitsvertrag geregelt und durch die Kirchensteuern finanziert wird. Gemäss dem dualen System von Staat und Kirche hat die Kirchgemeinde Kerns im vorliegenden Fall mit der vom Bischof von Chur ins Amt als Pfarrer eingesetzten Person einen Arbeitsvertrag abgeschlossen und darin die Anstellungsbedingungen geregelt. Die „Abwahl“ durch die Kirchgemeindeversammlung Kerns war in diesem Sinne eine Kündigung des Anstellungsvertrags.

Die Entlassung des Pfarrers durch die Kirchgemeinde ohne parallele Amtsenthebung durch den Bischof oder ohne parallelen Verzicht des Amtsinhabers schränkt die Religionsfreiheit der Kirche ein. Sie kann jedoch in schwerwiegenden Fällen eines Zerwürfnisses mit dem Pfarrer eine verhältnismässige Konsequenz des staatskirchenrechtlichen Systems sein.

Der Anstellungsvertrag mit dem Beschwerdeführer war öffentlich-rechtlicher Natur. Dies hat zur Folge, dass einerseits der öffentlich-rechtliche Rechtsmittelweg massgeblich ist und andererseits hinsichtlich der Vertragsauflösung die rechtsstaatlichen Verfahrensgarantien zu beachten waren, insbesondere ein sachlicher Kündigungsgrund vorliegen musste und das rechtliche Gehör zu gewähren war.

Für Kündigung des Arbeitsvertrags liegen sachliche Gründe vor
Das Kirchenvolk hat dem Beschwerdeführer das Vertrauen entzogen, was dieser sich durch sein Verhalten selber zuzuschreiben hat. Praktisch seit seiner Krankschreibung bis heute hat er den persönlichen Kontakt mit der Kirchgemeinde aus nicht nachvollziehbaren Gründen verweigert. Es war deshalb nicht vorstellbar, wie er unter diesen Umständen in sein Amt hätte zurückkehren können. Nur die Trennung der Kirchgemeinde von der Pfarrperson konnte die verfahrenen Situation lösen. Zudem bestanden auch nach langer krankheitsbedingter Abwesenheit keinerlei Hinweise darauf, ob und wann der Beschwerdeführer seine Tätigkeit als Pfarrer wiederaufnehmen würde. Auch in dieser Hinsicht lag ein sachlicher Grund für eine Kündigung des Arbeitsvertrags vor. Dem Beschwerdeführer wurde vor der Kündigung das rechtliche Gehör ausreichend gewährt. Im Ergebnis ist die Kündigung des Arbeitsvertrags – aus rein arbeitsrechtlicher Sicht – rechtmässig erfolgt.

Trennung als verhältnismässige Konsequenz
Der Pfarrer von Kerns wurde durch die Kirchgemeinde entlassen, allerdings ohne parallel Amtsenthebung durch den Bischof. Dies bedeutet eine Einschränkung der Religionsfreiheit der römisch-katholischen Kirche. Allerdings ist die Einschränkung verhältnismässig und daher gerechtfertigt. Das Amtsenthebungsverfahren vor dem Bischof von Chur musste aufgrund der Krankschreibung des Beschwerdeführers sistiert werden. Es könnte Jahre dauern, bis das Amtsenthebungsverfahren abgeschlossen ist, was letztlich dem Kirchenvolk von Kerns nicht zuzumuten ist.

Der Entscheid des Regierungsrats ist noch nicht rechtskräftig.

Zugehörige Objekte

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19-10_MM_RR_Beschwerdeverfahren_Kirchgemeinde_Kerns.pdf Download 0 19-10_MM_RR_Beschwerdeverfahren_Kirchgemeinde_Kerns.pdf
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