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Vier Zentralschweizer Autorinnen und Autoren ausgezeichnet

22. Januar 2018
Die Ausschreibung der Zentralschweizer Literaturförderung 2017/2018 stiess auf ein erfreuliches Echo. 64 literarische Arbeiten (plus 17 gegenüber 2015) wurden eingereicht, gut ein Drittel davon waren Debüts. Die fünfköpfige Jury zeichnet vier der anonym eingegangenen Texte aus. Je einen Werkbeitrag in der Höhe von 10 000 Franken erhalten Pino Masullo (Stans), Peter Zimmermann (Bern/früher NW) und Elisabeth Zurgilgen (Sarnen). Mit einem Beitrag von 20 000 Franken wird der Text von Lisa Elsässer (Walenstadt/früher UR) gefördert. Die Literaturförderung wird alle zwei Jahre von den sechs Zentralschweizer Kantonen gemeinsam ausgeschrieben.

Lisa Elsässer (geb. 1951 in Bürglen, heute wohnhaft in Walenstadt) hat bereits zahlreiche Lyrik- und Erzählbände sowie einen Roman veröffentlicht. Auch die Textsammlung vater mein es gibt ein unser. das späte gebet der liebe spiegelt dieses vielfältige und formenreiche Schreiben über existenzielle Themen wider. In Form von Erzählung, Prosaminiatur, Brief und Gedichtzyklus kartographiert Elsässer die «ungelebten Möglichkeiten mit Vater», beschreibt Begegnungen angesichts seines nahenden Todes und reflektiert, wie Gewohnheiten und Sprache von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dem «Gewicht des Vaters» ist nicht zu entrinnen, auch nicht beim Beobachten des alten Nachbars oder wenn ein enttäuschender Brief eintrifft. Der Blick der Erzählerin ist so wach wie schonungslos – und gleichzeitig zugewandt, trotz der Zerrissenheit ob der emotionalen Distanz zum Vater. Lisa Elsässer gelingt damit ein berührendes Kunststück über Liebe und Vergänglichkeit.

Pino Masullo (geb. 1963, wohnhaft in Stans) entführt uns mit dem Romanprojekt Jula in ein namenloses Land, wo Zypressen wachsen und der Mohn blüht. Hier leben Jula und ihr Sohn Klein Satoo. Beide erzählen uns ihre Geschichte, und so lernen wir Zeile für Zeile nicht nur das Schicksal einer Familie kennen, sondern die Geschichte eines ganzen Landes. Wir lesen vom kleinen Glück und der grossen Liebe, von Verzweiflung und Hoffnung, Krieg und Frieden. Souverän balanciert der Text zwischen realistischem Familienepos und fantastischem Märchen. Die Jury zeigt sich beeindruckt vom bildhaften, traumtänzerischen Sprachgebrauch und der konsequenten Erschaffung einer ganz eigenen Welt. Pino Masullo weist noch keine eigene Buchpublikation vor.

Die überzeugende Erzählstimme, das sichere Gespür für Timing und Spannung, dazu die präzise Figurenzeichnung und die punktgenauen Dialoge: Dem Romanprojekt Straight Edge von Peter Zimmermann (geb. 1972 in Buochs, heute wohnhaft in Bern) ist nicht anzumerken, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt. Gleich zu Beginn gelingt es dem Autor, die Lesenden hineinzuziehen in den auf mehreren Zeitebenen angelegten Text um Freundschaft und Entfremdung, um Verliebtheit und radikales Engagement. Insbesondere die vielschichtige, grundlegende moralische Fragen aufwerfende Beziehung zwischen dem Ich-Erzähler und seinem ehemals besten Freund hat die Jury begeistert.

«Wach bleiben.» Dieser kurze Satz genügt – und Elisabeth Zurgilgen (geb. 1955, aufgewachsen und wohnhaft in Sarnen) hat die volle Aufmerksamkeit ihrer Leserschaft. Sie beginnt damit ihr Romanprojekt Hospiz Casablanca. Hauptfigur ist Lea Pfister, die die Bewohnerinnen undBewohner eines Schweizer Hochtals für einen Porträtband interviewen will. Aber dann ereignet sich ein Bergsturz – und er legt nicht nur den Eingang zu einer Höhle frei, sondern auch den Weg für längst vergessene Geschichten. Mit bildhafter, schnörkelloser Sprache, differenzierten Dialogen und der Wahl eines abgelegenen, mysteriösen Schauplatzes schafft Zurgilgen einen beklemmenden Mikrokosmos. Routiniert treibt sie die spannungsgeladene Handlung voran und stellt gleichzeitig eine hochaktuelle Frage: Worin liegt der Wert des Erzählens in der heutigen Zeit? Ein Romanprojekt, das die Lesenden unterhält und wachrüttelt.

Die Jury der Zentralschweizer Literaturförderung 2017/2018 stand unter der Leitung von Katja Alves (Autorin). Ihr gehörten ausserdem an: Alexandra von Arx (Literaturkritikerin), Matthias Burki (Verleger), Britta Spichiger (Fachredaktion Literatur SRF) und Ulrike Ulrich (Autorin).

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