Kopfzeile

Inhalt

Einblicke ins Klosterleben: Drei Highlights aus dem Archiv des Klosters Melchtal

Über 150 Jahre prägte das Benediktinerinnenkloster St. Niklaus von Flüe das Melchtal. Nach dem Umzug der Schwestern nach Sarnen folgte kürzlich der Umzug des wertvollen historischen Klosterarchivs ins Staatsarchiv Obwalden. In diesem Archivfenster stellen wir drei Highlights daraus vor.

1. Von den Anfängen: Klosterchronik

Institut um 1890
Abb. 1: Das Institut des Klosters Melchtal, ca. 1890 (P.0170.13.55 (05))

"Alles, das Kleinste wie das Grösste, hat seinen Anfang. – Nur Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, ohne Anfang und ohne Ende." (P.0170.01.03) So beginnt die Klosterchronik des Klosters Melchtal. In sechs Bänden (P.0170.01.01-08) bietet die unveröffentlichte Chronik zahlreiche Einblicke in die Geschichte des Klosters von seiner Gründung 1866 bis ins 21. Jahrhundert aus Sicht der Schwestern und ihrer Seelsorger. Da werden etwa die schwierigen Anfangsjahre des Klosters beschrieben, in denen die Gemeinschaft mehrfach von Auflösung bedroht war – so etwa 1872, als die Schwestern den "niederschlagende[n], traurige[n] Befehl vom ehrwürdigen Abte Anselm von Engelberg" erhielten, "das heilige Ordenskleid ab[zu]legen, nachdem sie es kaum gut 28 Monate getragen hatten." (P.0170.01.03, S. 9). Todesfälle, Krankheitswellen und tragische Unfälle – etwa der Tod des Arbeiters Melchior Odermatt während des Klosterbaus 1894 (S. 24) – nehmen in den frühen Chroniken ebenfalls viel Raum ein. Daneben beschreiben die Chroniken besondere Ereignisse – etwa den Besuch von Kaiser Franz Josef, der in der Melchtaler Kaplanei mit allem, "was Küche und Keller leisten konnten" bewirtet wurde (S. 11). In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelt sich die Chronik dann zu einer Art "Klostertagebuch" weiter. Die kurzen, fast täglich notierten Einträge bilden zwar nur einen kleinen Teil des Klosterlebens ab, erlauben es aber, die wichtigsten Ereignisse im Klosteralltag und die vielfältigen Tätigkeiten der Schwestern nachzuvollziehen. Zu letzteren gehörten neben dem Unterricht im klostereigenen Institut beispielsweise die Paramentenstickerei, eine Imkerei und die Betreuung mehrerer Kinder- und Jugendheime in der Schweiz und im Tirol.

Gruppenbild
Abb. 2: Schwestern des Klosters Melchtal, die 1888 das einfache Gelübde ablegten (P.0170.13.05 (05)).

 

2. Die Sammelreisen von Sr. Maura Allenspach (1867–1945)

Obwohl die Melchtaler Schwestern schon früh verschiedenen Tätigkeiten nachgingen, war das Kloster auf Spenden angewiesen. Besonders die Finanzierung des Klosterbaus Ende des 19. Jahrhunderts erforderte grössere finanzielle Mittel, als die Schwestern durch ihre Arbeit aufbringen konnten. Deshalb wurden einzelne Schwestern auf Sammelreisen entsandt, die sie nicht nur durch die Schweiz, sondern auch nach Bayern, Baden-Württemberg, Österreich, Ungarn, Kroatien und Rumänien führten.

Einen aussergewöhnlich tiefen Einblick in diese Sammelreisen bietet die "Lebensbeschreibung" der Schwester Maura Allenspach (P.0170.04.20 und P.0170.04.21), die kürzlich von Maximilian Lederer in seiner Masterarbeit untersucht wurde. Sr. Maura (Abb. 2 rechts) beschreibt darin neben ihrer Kindheit als Bauerstochter in der Ostschweiz und ihrem Eintritt ins Kloster Melchtal ausführlich die zahlreichen, teilweise recht abenteuerlichen Sammelreisen im In- und Ausland, die sie zwischen 1888 und 1910 unternahm. Ohne wetterfeste Kleidung und mit nur so viel Reisegeld ausgestattet, dass es gerade bis zum ersten Sammelort reichte, zogen Sr. Maura und ihre Mitschwestern jeweils los; zu Fuss, mit Kutsche oder Bahn reisten sie mehrmals weit in den Osten. Unterwegs wurden sie von einem engen Netzwerk an Klöstern, Geistlichen und wohlgesinnten Privatpersonen unterstützt. Da das Betteln zu diesem Zeitpunkt an vielen Orten verboten war, bewegten sich die ausgesandten Schwestern häufig in einem rechtlichen Graubereich. So mussten sie etwa bei einer Sammelreise nach Bayern 1894 in einer Kutsche versteckt vor Polizisten fliehen, die sie wegen unerlaubten Sammelns verhaften wollten (P.0170.04.20, S. 50).

Reisekarten
Abb. 3: Reisekarten, ungarische Empfehlungsschreiben und Hefte, in denen sich die Spenderinnen und Spender mitsamt dem gespendeten Betrag eintrugen (P.0170.04.21).

Sr. Mauras "Lebensbeschreibung" bietet Einblick in ein aussergewöhnliches Klosterleben, das sich über viele Jahre vornehmlich ausserhalb des Klosters abspielte und in dem die Schwestern grosse Selbstständigkeit an den Tag legten – auch gegenüber vermeintlichen Autoritätspersonen: "[G]egen den Polizist sagten wir still, <gell häsch üs nöd öbercho>" (P.0170.04.20, S. 47).

 

3. Das Kloster im Fokus: Das Fotoarchiv

Während die Aufzeichnungen Sr. Mauras ein Schlaglicht auf die Beziehungen des Klosters zur Aussenwelt werfen, liegt der Fokus des umfangreichen Fotoarchivs (P.0170.13) auf dem Kloster selbst. Im mehrere tausend Bilder umfassenden Fotoarchiv sind nicht nicht nur der Bau der Klostergebäude und besondere Ereignisse im Leben der Melchtaler Schwestern wie etwa Professfeiern oder Papstbesuche dokumentiert, sondern auch die vielfältigen Aufgaben, die den Alltag im Kloster prägten. In den Fotos trifft man die Schwestern etwa beim Turnunterricht in der klostereigenen Institutsschule an; wir begegnen ihnen im Klostergarten und auf Wanderausflügen, aber auch beim Beschlagen von Schuhen oder beim Heuen auf dem Landwirtschaftsbetrieb in der Luss.

Turnunterricht ca. 1910
Abb. 4: Turnunterricht im Töchter-Institut St. Philomena im Melchtal, ca. 1910 (P.0170.13.55 (05))
Heuet
Abb. 5: Heuet in der Luss, ca. 1950 (P.0170.13.06 (05))

Die Melchtaler Schwestern standen aber nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera. Der fotografische Nachlass von Sr. Bonaventura Meier (1899–1997), der neben einem Fotoalbum und Glasplatten auch mehrere Hundert Negative umfasst (P.0170.13.27 (05) - P.0170.13.28 (05)), sticht dabei besonders heraus: Ab ihrem Eintritt ins Kloster 1927 hielt Sr. Bonaventura ihre Mitschwestern und zahlreiche weitere Frauen aus dem Umfeld des Klosters in fotografischen Portraits fest, die sie nicht nur selbst schoss, sondern auch eigenhändig entwickelte.

Fotoalbum Sr. Bonaventura
Abb. 6: Seite aus dem Fotoalbum von Sr. Bonaventura (P.0170.13.28 (05))

 

Kloster Melchtal in Sarnen

2019 ging die Zeit des Klosters im Melchtal zu Ende: Die Melchtaler Schwestern gaben die zu gross gewordenen Klostergebäude auf und zogen ins Benediktinische Zentrum in Sarnen um. Und auch das Klosterarchiv fand in Sarnen ein neues Zuhause: Das kulturhistorisch bedeutende Archiv wird neu im Staatsarchiv Obwalden aufbewahrt und steht nun dort – gemeinsam mit den Archiven der Institutsschule (P.0130) und der Bäuerinnenschule im Melchtal (P.0132), die von den Schwestern bereits früher an das Staatsarchiv übergeben worden waren – für Recherchen zur Verfügung.

 

Quellen:

  • StAOW P.0170: Depot: Archiv des Benediktinerinnenklosters St. Niklaus von Flüe [Kloster Melchtal]
  • StAOW P.0130: Archiv der Institutsschule (Töchter-Institut St. Philomena) des Benediktinerinnenklosters St. Niklaus von Flüe und seiner Nachfolgeorganisationen
  • StAOW P.0132: Bäuerinnenschule Melchtal

Literatur:

  • Lederer, Maximilian: "Ich kleiner Wildfang". Die Kollektereisen von Sr. Maura Allenspach (1867-1945) in West- und Ostmitteleuropa. Unveröffentlichte Masterarbeit, Universität Bern, 2022.
  • Jäger, Moritz: Benediktinerinnenkloster Melchtal 1866-1966, Melchtal 1966.

 

Zugehörige Objekte